Nr. 5 Gehorsam – Wie fördern wir Verantwortungsbewusstsein
Das Missverständnis liegt in der Annahme, dass wir befürchten, wenn unsere Kinder uns nicht gehorchen, sie dies auch zukünftig, beispielsweise in der Schule oder im Berufsleben nicht tun und es ihnen schwerfällt, sich an Regeln halten zu können. Doch woher stammt diese Annahme?
Blicken wir zurück in die Zeit der Schwarzen Pädagogik und beleuchten einmal die Erziehungsziele die damit verfolgt wurden. Kennen Sie die Geschichten vom Struwwelpeter von Heinrich Hoffmann (1809 – 1894)? In diesen Geschichten wird Kindern Angst gemacht, sie werden unter Druck gesetzt, sie haben wenig Nähe zu Ihren Bezugspersonen und die nach nicht angepasstem Verhalten drastische Folgen erleiden. In erster Linie ging es darum den eigenen Willen der Kinder zu brechen. Nun mögen Sie denken, dass solche Zeiten glücklicherweise vorbei sind, haben sich diese als schädigend für die Kinder erwiesen. Bei näherer Betrachtung, bedienen wir uns jedoch in der herkömmlichen Erziehung, nach wie vor dieser Mechanismen und Wirkungsweisen, wenn auch in abgeschwächter Form.
- MACHT: Die machtvolle Position der Eltern wird für die Durchsetzung eigener Interessen genutzt.
- GEWALT: Wenn nicht anders möglich, werden auch kompromisslose Massnahmen zur Durchsetzung elterlicher Ziele angewandt wie strafen oder drohen.
- ANPASSUNG: Ziel ist die Anpassung des Kindes an die Vorstellungen und Erwartungen der Erwachsenen und der Gesellschaft.
- GEHORSAM: Der Gehorsam des Kindes ist die massgebliche Grundlage und das Ziel der Erziehung.
Doch erreichen wir mit dieser Form von Erziehung, was wir Eltern uns wünschen, etwa dass Kinder zu eigenständigen und verantwortungsvollen Persönlichkeiten heranwachsen? Ich bezweifle das. Denn diese Mechanismen führen dazu, dass Kinder vor allem lernen, sich anzupassen, und eher unselbständig bleiben.
Erziehungsziele – was wünschen wir uns für unsere Kinder?
Eltern wünschen sich, dass ihr Kind…
…eine eigenständige Persönlichkeit wird,
…ein starkes Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl aufbaut,
…unabhängig wird und selbständig Entscheidungen trifft,
…anderen mit Empathie und Einfühlungsvermögen begegnet,
…Verantwortungsbewusstsein für sich und andere entwickelt,
…psychisch und physisch gesund heranwächst.
„Wenn wir wollen, dass Kinder lernen, für ihr Leben persönliche Verantwortung zu übernehmen, ist die Erziehung zum Gehorsam nicht zielführend“.
Was können wir also tun?
Oft richten wir unser Augenmerk auf Situationen, in welchen unsere Kinder nicht mit uns kooperieren. Wir haben dann das Gefühl, das Kind hört einfach nicht auf mich und macht nicht was ich möchte. Doch Kinder kooperieren oft den ganzen Tag über, dann wenn Sie aufstehen müssen, im Kita- oder Schulalltag, der jede Menge an Kooperation von ihnen abverlangt. Nach der Schule müssen Hausaufgaben gemacht werden, ein Ämtli erledigt, das Zimmer aufgeräumt etc.
Grundsätzlich wollen Kinder immer kooperieren. Sie wollen uns gefallen und möchten Anerkennung durch uns erfahren. Es gibt nur zwei Gründe die dazu führen, dass sie sich verweigern oder nicht mehr kooperieren. Entweder sie sind überfordert oder sie sind gekränkt. Überforderung im Sinne von zu hohen oder unrealistischen Erwartungen, wenn sie sich zu lange und zu sehr nach den Wünschen und Vorstellungen der Eltern richten müssen. (Bsp. Tagesablauf, Kita-Tag) oder gekränkt im Sinne von Missachtung ihrer emotionalen Bedürfnisse.
Wir können uns folgende Fragen stellen:
- Wo kann ich im Alltag eine Entschleunigung herbeiführen? Wo ist es allenfalls zu viel, zu schnell, zu hektisch?
- Wo kann ich auch einmal das; «jetzt sofort» durch ein; «wann möchtest du es erledigen, nach dem Essen oder am Abend?» ersetzen?
- Wo fand evtl. eine Grenzüberschreitung meinerseits statt, die in einem Machtkampf endete, und ich mich dank meiner elterlichen Machtposition durchsetzen konnte? Wann hab ich damit mein Kind vielleicht gekränkt und auf dies mein Kind in der Folge nun mit einer Verweigerung reagiert?
Begegnen wir unseren Kindern auf gleicher Augenhöhe und respektieren ihre Anliegen und Wünsche gleichermassen, und lassen ihnen ein Mitspracherecht in ihren Angelegenheiten, so erhalten sie folgende Botschaften: «ich bin gleichwertig, meine Meinung, meine Wünsche und Bedürfnisse zählen.» «Ich kann mitbestimmen und so auch lernen Verantwortung zu übernehmen.»