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„Muss ich – oder mein Kind zu einer Psychologin? „Was ist der Unterschied zu einer Psychologischen Beratung?“

Aus Gründen der Lesbarkeit wird in diesem Artikel darauf verzichtet, geschlechtsspezifische Formulierungen zu verwenden. Soweit personenbezogene Bezeichnungen nur in weiblicher Form angeführt sind, beziehen sie sich auf Männer und Frauen in gleicher Weise. 

Ich möchte für Euch zwei Hilfsangebote beleuchten und meine Erfahrungen und Gedanken dazu teilen. Ich versuche dies so objektiv wie möglich zu tun, da ich weder das Eine noch das Andere diskreditieren oder gegeneinander ausspielen will. Vielmehr habe ich ein Interesse daran, für den Hilfesuchenden eine Entscheidungshilfe zu bieten und aufzuklären. Wie so oft, gibt es Vor- und Nachteile, die eventuell für die betreffende Person relevant sein könnten. 

Welche Punkte berücksichtige ich bei meinem Vergleich?

  • Art und Ausmass der Problematik resp. der Symptome/Motivation
  • Vor- und Nachteile
  • Stigmatisierung
  • Pathologisierung
  • Ausbildung/Methoden/ Behandlung
  • Kosten

Menschen, die sich überlegen Hilfe in Anspruch nehmen zu wollen, haben meistens bereits eine längere Leidensgeschichte hinter sich. Nehmen Symptome zu und ist der Leidensdruck zu gross, werden sie aktiv. Die Ursachen und die Symptome sind so unterschiedlich wie die Menschen selbst. Bestehen in einem oder mehreren Lebensbereichen wie – Partnerschaft/Familie, Arbeit und Selbst unüberwindbare Probleme/Konflikte, welche über einen längeren Zeitraum bestehen, sollte man sich rechtzeitig Hilfe holen.  

Nun stellt sich die Frage, an wen sich Betroffene wenden sollen. Erst zum Hausarzt, der eine Überweisung an eine Psychologin* oder Psychiaterin* in die Wege leitet? Oder können sie sich mit ihrer Problematik auch an eine Psychologische Beraterin* wenden? 

Ist die Problematik und sind die Symptome noch nicht so weit fortgeschritten, dass es sich um ein Krankheitsbild nach ICD-10 handelt (Internationales Diagnoseklassifikationssystem), kann sich die hilfesuchende Person an eine Psychologische Beraterin wenden. Eine Psychologische Beratung, durchgeführt von einer ausgebildeten und vom SGfB anerkannten Person, verfügt über das notwendige Wissen und das Pflichtbewusstsein, Personen mit Verdacht auf eine psychiatrische Erkrankung an eine Fachperson weiterzuleiten.

Die Vorteile einer Psychologischen Beratung – oder weshalb der Gang zur Psychologin oder Psychiater durch eine Psychologische Beratung ersetzt werden kann.

Eine Anmeldung initiiert vom Ratsuchenden selbst – also nicht überwiesen durch den Hausarzt – ermöglicht ihm bei der Wahl eines Therapeuten/Berater selbst zu bestimmen. Dies ist insofern bedeutend, da man weiss, dass die «Chemie» zwischen Therapeuten/Berater und Klient über Erfolg oder Misserfolg einer Beratung/Therapie entscheiden kann. 

Die Hemmschwelle sich Hilfe zu suchen, verringert sich bedeutend, wenn die Wahl auf eine Psychologische Beraterin anstelle eines Psychologischen Psychotherapeuten oder Psychiaters fällt.   

Die Wahrscheinlichkeit, bei einer Psychologischen Psychotherapeutin oder Psychiaterin eine Diagnose zu erhalten, ist gross. Eine Diagnose bedeutet also – ich bin krank. Meine Krankheit hat einen Namen. Dies kann dazu führen, dass sich der Klient auch so fühlt, und sich somit die Aktivierung seiner eigenen Ressourcen zur Genesung nur gering mobilisieren lassen. Oft wird zu schnell zu einer Medikation geraten und die betreffende Person wird krankgeschrieben. (Zur Richtigstellung: hier handelt es sich nicht um eine Person, welche aufgrund des Schweregrades der Symptome bereits eine psychiatrische Diagnose hat).

Bei Kindern oder Jugendlichen, die in irgendeiner Form auffälliges Verhalten zeigen, wird oft zu schnell pathologisiert. Die Botschaft die das Kind erhält – „mit Dir stimmt etwas nicht“, „du bist so wie du bist nicht richtig“ – hinterlässt Spuren. Dies kann Folgen haben, welche sich bei einem erwünschten Therapieerfolg negativ niederschlägt. Oft reicht es, sich die Umgebung in der sich das Kind «unangepasst» verhält unter die Lupe zu nehmen, anstelle des Kindes und sein Verhalten ändern zu wollen. Jedes Verhalten hat einen Grund und gibt uns Auskunft über ein subjektiv gefühltes Mangelerleben des Kindes. Machen wir uns also auf die Suche, wie wir dem Bedürfnis des Kindes gerecht werden können, welches mit seinem Verhalten (unbewusst) darauf aufmerksam macht.

Wird über die Krankenkasse abgerechnet, ist die betroffene Person folglich mit einer entsprechenden Diagnose im Bereich der Psychischen Erkrankungen im System erfasst. Dies kann bei einem Krankenkassenwechsel Konsequenzen bei der Einstufung zur Folge haben.  

Eine Psychologische Beratung kann – je nach Richtung und Lehre nach dem sich der Berater ausrichtet, therapeutisch mit Methoden seiner Wahl, gleich gute Ergebnisse erzielen, wie bei einer Psychologin oder Psychiaterin. Die Bezahlung folgt auf eigene Kosten, was sich wiederum im Erfolg der Therapie niederschlagen kann. Die Bereitschaft, aufgrund der vorhandenen Symptome, die lediglich aufzeigen und uns als Alarmsystem dienen und uns sagt: “ jetzt besteht Handlungsbedarf in meinem Leben, jetzt muss sich etwas ändern, jetzt muss ich etwas ändern!“ Diese Dynamik hilft den Beratungsprozess sowie das Erreichen der Genesung oder des zu erreichenden Zieles zu beschleunigen. Der Zeitpunkt ist entscheidend und kann darüber befinden, ob sich bei zu langem Warten eine ernsthaft psychische Erkrankung entwickelt. In diesem Fall kann es sein, dass eine Medikation mit Psychopharmaka notwendig wird.

*Die Begriffe in der medizinisch therapeutischen Landschaft sind sehr vielfältig und auch verwirrend.

Ich beschränke mich im Artikel auf drei Bezeichnungen – die der Psychologin, bei welchem Methodenlehre, Diagnostik, Evaluation und Statistik Teile des Studiums sind. Es geht also nicht um Methoden, Techniken und Verfahren, um den Leidensdruck eines Menschen zu lindern oder um das Verständnis des menschlichen Erlebens und Verhaltens. Um als Klinische Psychologin arbeiten zu können braucht es zusätzlich eine Psychotherapieausbildung.1Die Bezeichnung lautet dann; Psychologische Psychotherapeutin.  

Die der Psychiaterin, welcher nach einem Medizinstudium eine psychiatrische und psychotherapeutische Facharztweiterbildung hat. 

Und last but not least, die Individualpsychologische Beraterin, welche eine Ausbildung mit einem Diplom abschliesst und über fundiertes theoretisches wie praktisches Wissen über tiefenpsychologische Erkenntnisse des menschlichen Handelns und Methoden und Konzepte für die therapeutische, lösungsorientierte Beratung verfügt. 

Quelle: Internetseite Abruf 20.09.2019 https://www.psychologie.uzh.ch/de/studium/interesse/psychologie.html 

Verhalten von Kindern als sinnvoll erachten und verstehbar machen!

„Wenn ich Fluche und schimpfe…“

„Wenn ich lüge…“

„Wenn ich aggressiv bin…“

„Wenn ich wütend bin…“

…dann bin ich verzweifelt, spüre einen Schmerz, Trauer, Wut oder Angst.“

„Ich bin auf der Suche nach Verbindung, Autonomie und Sicherheit.“

„Wenn du nur mein Verhalten bewertest und beurteilst , verstehst du gar nicht, wie es in mir aussieht und was mir fehlt.“ 

„Ich brauche dann echten Kontakt und keine Massregelung, Strafe oder Konsequenz!“

„Liebe mich dann, wenn ich es am wenigsten verdiene, denn dann brauche ich es am meisten!“

Wenn wir davon ausgehen, dass jedes Verhalten einen Sinn hat, ist das eine sehr wichtige Erkenntnis, die hilft, das Verhalten von Kindern besser zu verstehen und angemessen darauf zu reagieren. Wenn Eltern oder Erziehungspersonen in der Lage sind, die Bedürfnisse und Gefühle hinter dem Verhalten eines Kindes zu erkennen, können sie besser darauf eingehen und angemessene Unterstützung bieten.

Durch die Entwicklung eines Verständnisses für die emotionalen Bedürfnisse von Kindern können Eltern und Erziehungspersonen auch neue Handlungsalternativen und Lösungen für schwierige Situationen finden, die allen Beteiligten helfen, Konflikte und Spannungen zu bewältigen und positive Beziehungen aufzubauen und das Kind in seiner emotionalen und sozialen Entwicklung fördern.

Verhalten von Kindern als Hinweis auf ungestilltes Bedürfnis erkennen, (benennen), einordnen, versorgen.

  1. Was sehen wir? 

(Verhalten als Strategie zur Erfüllung eines emotionalen Grundbedürfnisses)

  • Was für ein Gefühl motiviert das Verhalten? 

(Gefühl als Hinweis auf ein ungestilltes Grundbedürfnis)

  • Welches emotionale Anliegen?

 (Grundbedürfnis welches nach Erfüllung sucht – Kinder können sich emotionale Grundbedürfnisse noch nicht selbst erfüllen)

  • Basisgrundbedürfnisse

SICHERHEIT – AUTONOMIE – VERBINDUNG

Wenn ein Kind aggressives Verhalten zeigt, könnte das Verhalten möglicherweise auf eine zugrunde liegende Angst, Wut oder einen Schmerz zurückzuführen sein, die das Kind dazu veranlasst, sich auf unangemessene Weise zu verhalten. Aggressionen sind ein Hinweis auf eine entwicklungsgerechte Abgrenzung oder aber ein Hinweis auf einen Kontaktaufnahmeversuch. Wenn wir uns emphatisch in die Situation des Kindes einfühlen und verstehen, dass es sich um eine Reaktion auf Angst, Wut oder einen Schmerz handelt, können wir besser darauf eingehen und das Grundbedürfnis nach Sicherheit oder Verbindung ansprechen.

Indem wir dem Kind unsere Verbindung und Unterstützung anbieten, zeigen wir ihm, dass es nicht allein ist und dass es jemanden gibt, der es in seiner emotionalen Not sieht. Wir können ihm zuhören, Halt geben, Mitgefühl zeigen und es ernst nehmen. Durch eine Co-Regulation und ein einfühlsames Begleiten können wir dem Kind helfen, sich zu regulieren um ihm Sicherheit zu vermitteln.

Wenn ein Kind beispielsweise provokatives Verhalten zeigt, kann das Verhalten möglicherweise auf eine zugrunde liegende Trauer oder einen Schmerz zurückzuführen sein, die das Kind dazu veranlasst, sich auf unangemessene Weise zu verhalten, um ein ungestilltes emotionales Bedürfnis in Balance zu bringen. Wenn wir uns empathisch in die Situation des Kindes einfühlen und verstehen, dass es sich um eine Reaktion auf Trauer oder Schmerz handelt, können wir besser darauf eingehen und das Grundbedürfnis nach Verbindung ansprechen.

Wenn wir auf aggressives oder provokatives Verhalten mit Strafen oder Konsequenzen reagieren, kann dies das Verhalten verstärken und zu einem Teufelskreis führen. Kinder, die aufgrund von Trauma oder Stress bereits emotional dysreguliert sind, können noch weiter destabilisiert werden, wenn sie das Gefühl haben, dass ihre Bedürfnisse nach Verbindung und Sicherheit nicht erfüllt werden.

Die Verwendung von Strafen und Konsequenzen kann auch das Vertrauensverhältnis zwischen dem Kind und der Bezugsperson beeinträchtigen, was es schwieriger macht, später eine echte Verbindung und Kooperation aufzubauen. Stattdessen ist es wichtig, die zugrunde liegenden emotionalen Bedürfnisse des Kindes zu verstehen und darauf einzugehen, um ein sicheres und unterstützendes Umfeld zu schaffen, in dem das Kind lernen und wachsen kann.

Es ist auch wichtig zu betonen, dass Verhaltensprobleme oft ein Symptom für eine tiefer liegende Ursache sind, wie zum Beispiel Trauma, Stress oder eine zugrunde liegende emotionale Störung. Durch eine empathische und einfühlsame Herangehensweise können wir dazu beitragen, die zugrunde liegende Ursache zu erkennen und zu versorgen, anstatt nur das Verhalten zu bestrafen oder zu unterdrücken.

Institutionelle Werte- mehr Schein als Sein? Wie werden wir Kindern und Jugendlichen gerecht.

Institutionelle Werte können eine gute Grundlage schaffen. Sie können Orientierung und Sicherheit geben, wofür ich oder die Institution steht. Sie können uns immer wieder daran erinnern, was uns wichtig ist, Identität stiften und uns unterstützen gemeinsame Zielvorstellungen zu verfolgen. 

Werte haben jedoch nur so lange eine Bedeutung, als dass sie auch gelebt werden. 

Angenommen eine Einrichtung für Kinder und Jugendliche orientiert sich in ihrem Leitbild an Werten wie; gegenseitige Wertschätzung, Respekt, Achtsamkeit, Vertrauen, Vergebung und Nächstenliebe. Gleichzeitig bestehen innerhalb derselben Institution Strukturen wie Reglementierungen, Kontrolle, Disziplinierung, Verhaltensanpassung mittels strafenden und sanktionierenden Massnahmen. Wie lässt sich das miteinander vereinbaren? 

Gilt also ein festgelegter Regelkatalog, an den sich die Kinder halten müssen – ist im vornherein schon klar, dass bei «Regelbrüchen» eine Sanktion folgen muss, weil es dieser – per se machtvolle Mechanismus, so vorsieht. Erwachsene Menschen fungieren dann als Gesetzeshüter, Kontrolleure und Richter und verhindern eine gegenseitige wertschätzende Beziehung im vornherein. Es besteht also die Gefahr, dass lediglich an einer Form festgehalten wird und das was als Wert vermittelt werden will, nicht gelebt wird. Vertrauen kann nicht durch ein Kontrollmechanismus erzeugt werden – im Gegenteil, er erweckt Misstrauen und sendet die Botschaft; ich traue dir nicht, deshalb brauchen wir Regeln und Kontrolle. 

Respektvolle Beziehungen können weder durch Strafen noch durch Sanktionen entstehen, sie demütigen, sind verletzend, machen den anderen klein und sind schädlich für die Beziehung und die Entwicklung.  Sie zerstören das Mitgefühl und die Sensibilität für andere und sich selbst. Sie zerstören auf längere Sicht die Fähigkeit, sich einzufühlen sowie Empathie zu entwickeln und produzieren Ärger und Wut beim Kind und den Wunsch nach Rache. Ausserdem führen sie zu Beeinträchtigung der Entwicklung von Emotionen. Das Ziel von Bestrafung ist, Autorität durchzusetzen. Wir sähen also Zwietracht, Kampf und Trennung und nutzen unsere Macht aus; ich bin mehr wert als du, denn ich habe die Macht; du bist nicht okay so wie du bist, ich möchte, dass du anders bist.  

Vermitteln wir ausschliesslich Manieren und Konventionen, wie sie manchmal durch eine «Hausordnung» oder «unsere Regeln des Zusammenlebens» an Kinder und Jugendliche herangetragen werden, dann vermitteln wir ausschliesslich eine Form, eine Konvention oder ein bestimmtes Normverhalten und vernachlässigen jedoch, um was es eigentlich geht.

Gegenseitiges Vertrauen und Wertschätzung erfahren die jungen Menschen, indem man ihnen auf diese Weise begegnet. Wir drücken unsere Werte aus, indem wir uns entsprechend zueinander, miteinander verhalten. Ist es der Institution wichtig, dass beispielsweise alle pünktlich zum Essen erscheinen, dann kann man bei Zuspätkommen im Sinne eines Regelverstosses mit einer Sanktion reagieren. Werden die Werte jedoch wirklich gelebt, dann signalisieren wir, dass wir eben achtsam miteinander umgehen und dass jeder in der Gemeinschaft wichtig ist. Das heisst, wir warten auf jeden und besprechen dann, was dazu geführt hat, dass es zu einer Verspätung gekommen ist. Wir signalisieren also echtes Interesse, hören zu und verstehen aus der Sicht des Kindes, weshalb es nicht geklappt hat. Wir suchen dann in der Folge nach Lösungen oder Hilfestellungen, damit das pünktliche Erscheinen gelingen kann. 

Hier besteht also eine Verwechslungsgefahr, nämlich wenn beispielsweise Erzieher*innen oder Lehrpersonen statt von der persönlichen Gefühlslage – von Institutionellen Erwartungen sprechen. Also: wir wollen das eine Regel eingehalten wird oder die Kinder und Jugendlichen sind uns wichtig und wertvoll. Hier kann helfen, die Gedanken noch einmal zu überprüfen. Geht es wirklich um den Menschen oder geht es um ein bestimmtes Verhalten, welches wir als «richtig» beurteilen und einzufordern versuchen.

Wieviel darf man selbst sein, ohne dass man aus der Verbindung fällt mit dem anderen oder aus dieser Gruppe/Gemeinschaft? Ein klassisches Regelwerk signalisiert also in erster Linie, dass Kinder und Jugendliche okay sind, solange sie sich anpassen und das von uns gewünschte Verhalten zeigen, ihre Bedürfnisse und Gefühle jedoch, zählen nichts.

Ein liebevoller, gewaltfreier Umgang, der von Wertschätzung und Achtsamkeit geprägt ist, ist die Grundlage für ein gesundes Selbstwertgefühl. Kinder, welche nie gelernt haben, dass sie es wert sind, gut behandelt und nein sagen dürfen,  können Erwachsenen werden, die nicht in der Lage sind, sich abzugrenzen, für sich zu sorgen oder ihre eigenen Bedürfnisse überhaupt zu erkennen. Sie haben die Erfahrung gemacht, selbst keine Kontrolle zu haben, und werden im späteren Leben häufig zu Menschen, welchen Kontrolle sehr wichtig ist oder Menschen, welche es allen recht machen wollen. 

Der vermeintlichen Erfolge, welche Grenzen, Regeln, Sanktionen oder Strafen – haben, haben darüber hinaus einen Anpassungscharakter, welcher dazu führt, dass Kinder sich in der Folge – da ihnen schlicht weg nichts anderes übrig bleibt, so verhalten müssen, wie es verlangt wird. Nur weil Kinder nach Aussen ruhiger und angepasster werden, sich anders verhalten, heisst es nicht, dass es ihnen innerlich besser oder gar gut geht. Denn ihre Bedürfnissen werden in der Regel missachtet und nicht gesehen, wesentliche emotionale Grundbedürfnisse bleiben unerfüllt und Grenzen werden permanent übertreten, im Gegenzug erwartet man von ihnen, dass unsere Grenze gewahrt wird. 

Viele Erwachsene Menschen haben in ihrer Kindheit gelernt; nur wenn ich gehorche und mich anpasse, werde ich geliebt. Eigene Bedürfnisse wurden unterdrückt, weil vielleicht mit Bestrafung oder einer Konsequenz zu rechnen war. „Ich muss es allen recht machen“ oder „ich darf nicht nein sagen“ ein Glaubenssatz, welcher aus der Kindheit stammt. Wenn wir für Kinder und Jugendliche möchten, dass sie zu selbstständigen und eigenständigen Persönlichkeiten heranwachsen und vor allem im Hinblick auf sexuelle Übergriffe einen Umgang erlernen um sich abgrenzen zu können, wäre es jedoch wichtig und richtig, nein zu sagen!

Werte lassen sich leben, indem wir wertschätzend hinter das Verhalten blicken und wir ein Interesse daran haben, zu verstehen, welches Gefühl das Verhalten motiviert hat und welches emotionale Bedürfnis nach Erfüllung sucht. So kann sich eine Institution innerhalb von Regelungen bewegen, welche es zulassen, den Menschen ohne manipulative Mechanismen unter Kontrolle zu halten. Denn wenn Kinder und Jugendliche Respekt, Vertrauen, Wertschätzung erfahren, werden sie sich auch wertschätzend verhalten. Wir bewerten und Korrigieren also ein Verhalten nicht, sondern wir verstehen und begleiten es. Es gibt einen Weg über das Erkennen der wesentlichen emotionalen Bedürfnisse. Wenn wir diese erkannt haben, können wir sie nähren und stillen und das Verhalten wird sich über die gestillten Bedürfnisse verändern.  Es entsteht eine verbindende Beziehung anstelle einem trennenden Beziehungsabbruch. So kann die Botschaft hinter den Werten lauten: Ich habe Grenzen und andere haben Grenzen. Meine Gefühle sind wichtig und richtig und ich werde in meiner Not gesehen, verstanden und begleitet. Ich bin auch dann noch okay, wenn ich in meiner emotionalen Not unerwünschtes Verhalten zeige. Denn dann brauche ich deine Zuwendung am meisten. 

Zudem ergibt sich die Chance individuelle Beziehungsgeflechte zu analysieren und das Kind in seinem Lebenskontext und ihre Wechselwirkung zu verstehen. Es lassen sich Rahmenbedingungen schaffen, die es erlauben, das Kind nicht lediglich in seinem Verhalten zu beurteilen bzw. zu verurteilen. Es kann zu einer Selbstreflexion des Erzieher*in und zu einem Perspektivenwechsel kommen und Antworten über das eigene Verhalten liefern.  Denn der Betrachter entscheidet, wie das Verhalten wahrgenommen wird. Was sagt mein Verhalten als Bezugsperson über die Beziehung zu dem Kind aus? Welche Gefühle lösen diese Verhaltensweisen bei mir aus? 

Diese Wege sind zwar oft erst einmal ungewohnt und bedürfen einiger Beziehungsarbeit und es braucht eine Offenheit und Unvoreingenommenheit für eine neue Sichtweise, was Kinder brauchen.  Sie sind aber, für eine psychisch gesunde Entwicklung unabdingbar und aus bindungs- und beziehungsorientierter Sicht, jedenfalls nachhaltiger und lohnend.

Um das Ausgangsthema wieder aufzugreifen, möchte ich an dieser Stelle auf Werte hinweisen, welche einen anderen Blick auf das Kind und einen Perspektivwechsel erlauben und um alte Mechanismen hinter uns zu lassen. 

Verantwortung statt Bewertung, Achtsamkeit statt Strafe, Wertschätzung statt Abwertung, Vertrauen statt Kontrolle, Miteinander statt Gegeneinander, Dialog statt Monolog, Gleichwertige, konstruktive Beziehung statt belasteter Beziehung. 

Weihnachten – stress- oder freudvoll?

Was verbindest du mit Weihnachten? Wie erlebst du diese Zeit? Eher stressvoll und anstrengend – oder besinnlich und erholsam?

Wenn Ersteres zutrifft, darfst du dich einmal fragen – was genau stresst mich eigentlich?

Was denkst du über Weihnachten im Allgemeinen? Sind da gute Erinnerungen verknüpft oder noch mit «etwas Altem» belastet? Hast du ganz bestimmte Vorstellungen und Erwartungen, wie sie idealerweise sein soll? Sind diese Erwartungen realistisch und weshalb habe ich diese Erwartungen? Welchen Anspruch habe ich an mich selbst?

Vielleicht hast du die Idee, dass es besonders harmonisch sein soll – oder du möchtest es besonders gut machen, oder du hast die Erwartung, dass die Kinder Freude haben sollen und doch wenigstens in dieser Zeit einmal nicht so viel streiten müssten etc.

Wenn es dir gelingt, diesen Gedanken mit der zugehörigen Erwartung etwas loszulassen, so wird sich alles ein wenig leichter anfühlen.

Sind da vielleicht auch Erwartungen anderer, die du meinst, erfüllen zu müssen? Hast du dir (unnötigerweise) zu viel aufgebürdet? Weil du anderen (deinen Eltern?) gefallen möchtest und gut dastehen willst? Muss es denn wirklich ein 4-Gang Menü sein? Oder müssen wir uns als Familie immer anpassen obwohl wir merken, dass wir uns und unsere Kinder überfordern- mit viel zu vielen und zu langen Besuchen. Dann, der Stress wenn unsere Kinder aus der Überforderung heraus, nicht mehr in der Lage sind zu kooperieren und sich dass dann entsprechend äussert – was in uns wiederum Stress auslöst, weil wir uns Gedanken machen, was die anderen über uns als Eltern denken, wenn die Kinder sich nicht so verhalten, wie sich dass die anderen vorstellen, dass sich Kinder zu verhalten haben etc. 

Du darfst für dich herausfinden – was möchte ich – was möchten wir als Familie? Was möchten wir für unsere Kinder? Was können wir den Kindern und uns zumuten? Ist es zwingend notwendig, auch noch zu diesem Götti und zu diesen Grosseltern auf Besuch zu gehen? Und weshalb glaube ich, dass es notwendig ist? Weil wir das möchten und uns entschieden haben, den Besuch auf eine angemessene Dauer zu beschränken, damit es nicht zu viel wird. Dann nichts wie los! Oder aber, fühlen wir uns verpflichtet, weil es vermeintlich von uns erwartet wird?

Ihr habt immer eine Wahl – es ist eure Entscheidung und ihr dürft Verantwortung übernehmen – im Sinne einer Gestaltungsfreiheit. Ihr dürft eure eigenen Entscheidungen treffen als Familie. Ihr dürft euch austauschen als Paar, wie ihr darüber denkt. Ihr dürft unreflektierte alte Muster von – „ich muss…  (z.B. es allen recht machen“) loslassen und eigene Bedürfnisse erkennen und dazu stehen, ohne den kindliche Befürchtungen glauben zu schenken, dass ihr so Anerkennung oder Liebe verliert.

Sind es vielleicht äusseren Umstände, Abläufe oder Strukturen, welche ich noch einmal überprüfen darf? Ist es eventuell sinnvoller in einem anderen Jahr die Geschenke früher zu besorgen? Wie kann ich dafür sorgen, dass ich selbst nicht „auf dem Zahnfleisch“ laufe? Was kann ich ändern, damit nicht alles in letzter Sekunde noch ansteht? Wie sorge ich für mich, damit ich genügend Energie tanken kann? Welchen Stellenwert habe ich da, und was erlaube ich mir? Ist es mir möglich etwas zu entschleunigen und wie mache ich das am besten? Im Wissen darum, dass ich gelassener mit stressigen Situationen und mit meinen Liebsten umgehen kann, wenn ich für mich sorge. 

Ich wünsche mir für Dich (Euch), eine Weihnachtszeit – auf die ihr oder eure Kinder einmal gerne zurückblicken könnt und sich gefühlt mit Freude, Gelassenheit und Leichtigkeit im Körper verknüpfen kann!

Kleine Episoden, vom Druck erziehen zu müssen.

„Das tut man nicht – das sagt man nicht!“

Es benötigt nur eine kurze Zeitspanne, wenn man sich an Orten aufhält, welche für Familien attraktiv sind, bis einem solche oder ähnliche Sätze zu Ohren kommen.

Zwei Jungs auf dem Fahrrad unterwegs mit ihren Eltern am Thunersee. Der eine etwa vier, der andere vielleicht sechs. Vorne der Kleine lautstark am Schreien, hinterher der Ältere – mit einer Hand am Lenker, in der anderen Hand einen dicken Ast – entschlossen, diesen dem Jüngeren gezielt anzuwerfen. Was vorher geschehen ist und wie es dazu kam, ist mir unbekannt (und wahrscheinlich den Eltern auch).

Der Grössere wirft und zielt daneben. Der Kleinere schreit immer noch.

Energisch kommt der Vater zum Geschehen, packt den Grösseren am Arm, geht hinunter auf Augenhöhe und insistiert mit ernsthafter Stimme – seiner elterlichen Verpflichtung nachkommend: «Geht’s noch?! Das darfst du nicht tun, hörst du, das will ich nie mehr sehen, dass ist sehr gefährlich, du könntest deinen Bruder verletzen!»

Dem kleineren Jungen, streicht man sanft durch das Haar und signalisiert – alles gut und spendet so Trost.

Recht hat er, der Vater, das Kind muss lernen, das so ein Verhalten nicht erwünscht ist. Er muss auch noch verstehen weshalb und was die Folgen davon sein können.

Ich bin mir ziemlich sicher, dass dem mehr als 90% der Eltern zustimmen und ebenso handeln. Deren Beispiele gibt es Unzählige, welche sich in dieser oder ähnlichen Weise abspielen. Ein Kind tut etwas, was man eben nicht tun soll, was in der Gesellschaft nicht erwünscht ist und muss die Konsequenzen für sein Handeln spüren. Vielleicht noch untermauert mit einer Strafe oder Konsequenz, damit der Lerneffekt erfolgreich ist. Gängige Erziehungsmassnahmen eben!

«Ja aber…entgegnen Sie mir vermutlich jetzt schon».

Ich verstehe diesen Impuls sehr gut. Und es gibt andere, konstruktivere Handlungsalternativen – solche, welche nicht auf der Verhaltensebene agieren.

Sehen wir uns das obige Szenario noch einmal an. Der Vater nimmt wahr, dass der Ältere ziemlich wütend ist – unter der Voraussetzung, ihm gelingt der Perspektivwechsel und mit der notwendigen Empathie (sich einfühlen können in Andere). 

Als verantwortlicher Elternteil hat er die Aufgabe, die Kinder vor einer möglichen Verletzung zu schützen. Gelingt dies – wie im obigen Beispiel nicht (mehr) – sich beispielsweise vor den Jungen mit dem Ast in der Hand zu stellen, ist eine Reaktion auf verbaler Ebene möglich.

«Hey, was ist los»? «Ich sehe, dass du gerade ziemlich wütend bist, stimmt das»?

«Was hat dich denn so wütend gemacht»?

(….)

Der Junge erhält einen Raum um seine Sicht der Dinge zu erklären. Er erfährt durch die Wahrnehmung und Benennung des Vaters, dass es sich bei dem Gefühl um Wut handelt. Oft sind Kinder entwicklungsbedingt noch nicht in der Lage ihre Emotion zu benennen, geschweige denn zu regulieren. Hier gilt der Grundsatz: Emotion vor Kognition. Der Junge erfährt, ich werde ernstgenommen, gesehen, gehört in meiner emotionalen Notlage, mein Gefühl ist richtig. Ich darf sagen was ich denke und fühle!

Okay, das verstehe ich. Heisst nicht, dass der Vater damit (Verhalten) einverstanden ist.

Zum Bruder: «Und du hast wohl einen riesen Schrecken und Angst gehabt, als dein Bruder dich verfolgt hat, nicht wahr»?

Genauso kann sich der Jüngere ausdrücken, was in ihm vorgegangen ist und ihm wird Gehör verschafft. 

So und nun, was machen wir denn da?

Lädt die Kinder ein, sich an einer Lösungsfindung zu beteiligen.

Es geht gar nicht so sehr darum eine Lösung zu finden, es geht darum die Kinder in ihrer Emotion zu sehen und zu verstehen.

Was ist gewonnen, wenn wir wie im ersten Beispiel handeln? Der Konflikt ist erstens nicht angesprochen und schon gar nicht gelöst.

Der Ältere erfährt nichts über seine Gefühle. Vielmehr erfährt er, ich muss meine Gefühle in Zukunft unterdrücken, sonst bin ich nicht erwünscht und erfahre eine Konsequenz.

Er fühlt sich missverstanden und gekränkt.

Doch der Junge war wütend! Und das ist ein berechtigtes Gefühl. Nur wusste er noch keinen konstruktiveren Weg, diese Wut zu regulieren und einen anderen Weg, als mit Gegenständen zu werfen. Das ist ein Prozess, welcher sich bis ins junge Erwachsenenalter hinzieht – und abgesehen davon auch manchmal noch Erwachsenen nicht gelingt. 

Deshalb brauchen Kinder Erwachsene, die sie Co-Regulieren. (dazu in einem anderen Artikel mehr).

Szenenwechsel: Immer noch am Thunersee. Ein Junge spaziert seinem Vater hinterher und ich – und auch andere, sich dort befindende Spazierende – hören aus dem Kindermund: «Hey Alter!»

Der Vater dreht sich empört um, wissentlich, dass er einige Beobachtende um sich hat. Jetzt bloss nicht das Gesicht verlieren. «Was fällt dir ein, ich will nicht, dass du so mit mir sprichst, das sagt man nicht!»

Gut so, der Junge muss lernen, dass wir in unserer Gesellschaft einen solchen Ton nicht dulden. Er muss lernen, dass wir respektvoll miteinander umgehen.

Auch da, mögen Sie mir sagen: «stimmt doch!?»

Der Junge war gerade mal ca. fünf Jahre alt. Dieses «hey Alter! » hat er vermutlich irgendwo bei Jugendlichen gehört, welche sich durch diese Art der Kommunikation verbunden fühlen.

Der Vater darf da gelassen sein und sich nicht durch den gesellschaftlichen Druck dazu verpflichtet fühlen, einem fünf Jahre alten Jungen – der in dieser Entwicklungsphase Freude am Ausprobieren von Ausdrücken hat – eine Standpauke zu halten. 

Er kann ihm ohne eine Äusserung darauf, einfach liebevoll über den Kopf streichen, im Wissen darum, dass dies völlig entwicklungsgerecht ist. Er kann sich gewiss sein, dass sein Kind deswegen nicht ein Erwachsener wird, dessen Sprache sich unangemessen entwickelt. Er kann sich jedoch sicher sein, dass sich sein Kind an seiner eigenen Sprache orientiert und ihm als Vorbild dient. Und – ohne diese Standpauke, welche das Kind wiederum beschämen und kränken würde, die Beziehung nicht unnötig beschädigt.

Das Beste zum Schluss: Immer noch am selben Bade- und Spazierort. Ein Vater, (mir fällt gerade auf, dass sich wohl gefühlt alle Väter von Thun am See befanden) mit seinem Sohn und seiner Tochter am Ufer befindend, stürzt ganz unglücklich beim Queren des steinigen Bord des Ufers. Die Kinder taten es ihm gleich, hatten jedoch mehr Glück.

Es dauerte keine Sekunde, da kam aus dem Hinterhalt einer beobachtenden Dame die (vorwurfsvolle) Aussage an den Vater adressiert:  «Das war jetzt aber sehr gefährlich, das hätte schlimm ausgehen können!» , was wenig hilfreich war in dem Moment. Ein „das hat wohl weh getan! “ hätte gereicht.

Die Dame ist Lehrerin, wie ich später erfuhr. Wahrscheinlich hat sie vergessen, dass es sich gerade um einen erwachsenen Vater handelt und nicht um eines «ihrer» Kinder – welches abgesehen davon, ausser dem Gefühl – «ich hab`s vermasselt», nichts gelernt hätte.

Wie begleite ich ein Kind, wenn es sich zunehmend respektlos und beleidigend verhält, Wutanfälle zeigt und Anweisungen verweigert?

Als Familienberaterin und Elterncoach habe ich den Anspruch, kindliches Verhalten zu verstehen, einzuordnen, entwicklungspsychologische Erkenntnisse zu berücksichtigen und konstruktive Antworten zu entwickeln. Dabei habe ich den Blick auf das ganze System, in dem sich das Kind bewegt. 

Zudem gehe ich davon aus, das jedes Verhalten einen Sinn hat und es sich lohnt bei Kindern zu erfahren, welches Gefühl dem Verhalten zugrunde liegt und welches emotionale Grundbedürfnis das Kind gerade versucht ins Gleichgewicht zu bringen.

„…das Verhalten der betroffenen Kinder verstehbar zu machen. Zum „Aufhören“ benötigen Kinder daher Fachpersonen, die bereit sind, ihre Not zu sehen, und die versuchen, die Emotionen hinter dem Verhalten zu erkennen“. Es ist genau so wichtig, dass diese Fachpersonen bereit sind, auf sich selbst zu hören, die ihre eigenen Emotionen (an)erkennen und einen hilfreichen Umgang damit finden.

„Sich mit den „guten Gründen“ hinter einem herausfordernden Verhalten zu beschäftigen, bedeutet, sich mit den Problemen, die Kinder haben, zu beschäftigen und nicht mit den Problemen die Kinder machen.“

Quelle: Kinderschutz Schweiz Kartenset „Hör auf mich!“

Was sehen wir: 

Ein Kind verhält sich zunehmend respektlos, ist beleidigend, verweigert Anweisungen und kooperiert an verschiedenen Stellen nicht mehr. Vermehrt reagiert es mit starken Wutausbrüchen. 

Offensichtlich ist das Kind in grosser Not und in seiner Emotionsregulation stark eingeschränkt. Kinder benötigen übrigens die gesamte Kindheit für diese Entwicklung, um sich dann im Erwachsenenalter auch selbst regulieren zu können. 

Aus der Entwicklungspsychologie wissen wir, dass Kinder in bestimmten Fällen nicht mehr kooperieren. 

  • Zum einen, wenn sie überfordert sind, im Sinne eines hohen Erwartungsdruck; das geschieht, wenn sie sich zu lange und zu sehr nach den Wünschen und Erwartungen der Bezugspersonen (Eltern, Lehrer, Erzieher etc.) richten müssen und über einen längeren Zeitraum in eine Überkooperation geraten.

  • Oder ihr Vertrauen in die Beziehung beschädigt wird oder ganz abhanden kommt; das geschieht, wenn sie verletzt oder gekränkt werden, ihre Persönlichkeit nicht geachtet und ihre emotionalen Bedürfnisse missachtet werden.

Niemals kündigen Kinder von sich aus die Zusammenarbeit mit uns Erwachsenen auf. Und nie geschieht eine solche Verweigerung grundlos. Es ist immer auch ein Ausdruck dafür, dass im Beziehungsgeflecht etwas in Schieflage geraten ist. Strafen verstärken die Überforderung oder Kränkung noch, die Kooperationsbereitschaft der Kinder sinkt rapide für den Moment und kann auch langfristig beeinträchtigt werden.

Durch Strafen und Konsequenzen nimmt das unerwünschte Verhalten nicht ab, sondern eher zu. Es entsteht eine ungünstige Machtspirale, aus der ein Ausstieg nur schwer gelingt. Letztlich sind sie das Tor zum Machtkampf, verschärfen negative Einstellungen und Haltungen auf beiden Seiten und können auch problematisches Verhalten bei Kindern verfestigen. Es lernt nur: ich muss gehorchen, sonst erfahre ich emotionale Schmerzen.

Kinder erleben durch Bestrafung Demütigung und Ablehnung. Sie fühlen sich ohnmächtig und hilflos. Sie erfahren, dass sie so wie sie sind, nicht geliebt werden, dass ihr Gefühl falsch ist – dass sie falsch sind.

Strafen haben trennende Wirkung und schaffen emotionale Distanz. Dabei brauchen Kinder jedoch eine innige Verbindung. Sie benötigen verlässliche Bindungspersonen, die ihnen bei der Stressbewältigung helfen. Gerade in diesen Situationen benötigen Sie Erwachsene, welche ihr Verhalten lesen können, das Gefühl welches darunter liegt erkennen, welches das Verhalten motiviert und spüren welches Grundbedürfnis (Sicherheit, Autonomie, Verbindung) sich wertvoll fühlen, in seinen Anliegen verstanden, ernst genommen, gesehen und gehört zu werden.

Sie verursachen Ärger, Wut und den vorerst noch unterdrückten Impuls nach Rache. Das kann sich dann auch gegenüber andere Personen richten. Oft finden diese unterdrückten starken Gefühle erst im Erwachsenenalter ihren destruktiven Ausdruck, dann aber unkontrolliert und heftig.

„Erschwerend kommt hinzu, dass die Versuche, den herausfordernden Bewältigungsstrategien der Kinder im Alltag mit klassischen pädagogischen Mitteln zu begegnen (zum Beispiel mit Belohnungs- und Bestrafungssystemen), häufig ins Leere laufen oder diese gar noch verstärken. Bei Fachpersonen kann dies schnell zu Resignation oder Ärger führen, was sich wiederum verstärkend auf das Verhalten der Kinder auswirkt.“

Quelle: Kinderschutz Schweiz „Hör auf mich!“

Wenn wir nun anhand dieser Kenntnisse versuchen, Zusammenhänge zwischen der momentan herausfordernden Situation herzustellen, gelingt womöglich ein Perspektivwechsel und ein Verständnis für das Verhalten.

Wie wir früher dachten:

Ein wütendes, schlagendes und schimpfendes Kind ist unerzogen! Das muss ich unterbinden! Was denken bloss die anderen? Ein solches Verhalten muss Konsequenzen haben. Es muss lernen, dass so ein Verhalten in unserer Gesellschaft nicht toleriert wird. Es muss spüren, dass so ein Verhalten falsch ist. 

Was wir heute wissen:

Dein Kind erzählt nichts über dich, sondern spricht über sich selbst. Es erzählt von seiner Kränkung und seiner Wut. Es hat starke Gefühle und kann diese noch nicht regulieren oder benennen. Es fühlt sich unverstanden, einsam und allein, traurig, wütend oder ärgerlich.Dein Kind erzählt von seinen Gefühlen und macht auf seine emotionalen Bedürfnisse aufmerksam. 

Wenn wir das Verhalten verbieten, bestrafen oder bewerten, werden folgende Botschaften gesendet. „Du bist so, wie du bist nicht ok. Wütend zu sein ist nicht in Ordnung. Deine Gefühle sind nicht richtig und wichtig!“ Essenzielle Entwicklungsschritte werden unterdrückt, Gefühle werden abgespalten und im Körper gespeichert. 

So lass ich doch nicht mit mir reden!

Hier spricht dein eigenes “ inneres Kind“ in dir. Es sind alte Gefühle oder Verletzungen aus frühen Zeiten welche hochkommen. Du darfst den Fokus auf dich richten. Es hat nichts mit der aktuellen Situation zu tun. Du fühlst dich womöglich kritisiert, gekränkt, nicht gesehen oder du fühlst dich gerade als Mutter, Vater oder Lehrperson/Erzieher*in in Frage gestellt. Hier bist du bei dir und deinem Gefühl und kannst so nicht in Kontakt zu dem Kind treten. Das Kind ist nicht verantwortlich für deine Gefühle. Es mag wohl dazu beigetragen haben, dass du dich so fühlst, ist jedoch nur Auslöser und nicht die Ursache.

Wie ich heute damit umgehe:

Wechsle die Perspektive! Gehe nicht auf das Verhalten ein. Das Kind ist in Not, es würde anders reagieren, wenn es entwicklungsbedingt könnte. Es wäre gut, wenn Du in solchen Momenten weniger auf die Form des Ausdrucks (wir sehen hauen, schimpfen etc.  auf der Verhaltensebene) eingehst, sondern mit der Gefühlsebene Kontakt aufnimmst. Was für ein Gefühl hat wohl das Verhalten motiviert?

Versuche deine eigenen Gefühle zu regulieren im Wissen, dass sie jetzt gerade nichts mit der Situation zu tun haben. Fühl dich empathisch in die Lage des Kindes ein. Lass dich nicht durch andere verunsichern (Öffentlichkeit). Sprich das Thema in deiner nächsten Umgebung an und informiere sie, damit auch sie verstehen, dass es entwicklungsgerecht ist. Die Sorge, dass das Kind später solche Kraftausdrücke benutzt ist unbegründet. Viel mehr erfährt es, dass es ernstgenommen, sich gesehen und wertvoll fühlt, wenn wir diese Wutausbrüche einfühlsam begleiten.

Was das Kind jetzt braucht:

Das Kind braucht gerade jemanden, der sich ihm zuwendet und ihm hilft seine starken überflutenden Gefühle zu regulieren. Es braucht jemanden an seiner Seite, welcher signalisiert: „Ich verstehe dich und dein Gefühl.“ Wende dich nicht von dem Kind ab. Schicke es nicht weg. Lass es mit diesen starken Gefühlen nicht alleine. Lass ihm Raum für die Gefühle und hilf ihm diese zu verstehen und kennenzulernen indem du sie benennst. Womöglich kannst du spüren, worum es auf der Bedürfnisebene ging?

Verhalten verstehen- Verbindung herstellen

Ab und wann werde ich gefragt:

„Kannst du mal mit meinem Kind arbeiten, es ist so aggressiv oder kämpferisch oder verweigert sich, wir kommen nicht mehr heran.“

Das könnte ich – doch um nachhaltig eine Veränderung herbeizuführen, brauchen Kinder eine Verbindung welche sie sättigt. Und diese Verbindung kann ihnen am besten gegeben werden über eine konstruktive Beziehung. 

Diese entsteht, wenn nicht das Verhalten des Kindes im Vordergrund steht sondern das Interesse daran, zu verstehen was dieses Verhalten motiviert. 

Möchtest du dein Kind, sein Verhalten und dich besser verstehen?

Programm „Connect“

Keine alternative Textbeschreibung für dieses Bild vorhanden

„Nicht alle Eltern die selbst von Gewalt betroffen waren, schlagen ihre Kinder!“
„Ich habe jedoch noch nie Eltern kennengelernt, die nie Gewalt in ihrer Kindheit erfahren haben und ihre Kinder schlagen!“

Ich berücksichtige in meinem kommenden Programm „CONNECT“:

Eltern, die selber von Gewalt oder seelischen Verletzungen (Trauma) betroffen waren,
Eltern, die aus der Gewaltspirale austreten wollen und es alleine nicht schaffen,
Eltern, welchen eine behördliche Massnahme angeordnet wurde in einem Gruppenprozess, mehrere Ebenen. 

Auflösung von Verankerungen von schädlichen Beziehungsmustern in der Kindheit und die damit einhergehende Desensibilisierung.

Zugang und Verbindung zu eigenen verloren gegangenen Emotionen finden (Neuronale Verknüpfungen wiederherstellen)

Empathie Fähigkeit (wieder-) erlangen

Verbindung zu eigenen Körperempfindungen herstellen

Eigene (Ver-) Bindungs- u. Beziehungsmuster verstehen

Biographiearbeit – aus der Vergangenheit lernen um die Zukunft neu zu gestalten

Anerkennung was war und Versöhnung

Umgang mit Wut / Wutmanagement

Impulskontrolle/Emotionsregulation 

Grenzen

Wir wachsen heran – in einem schützenden, grenzgebenden Mutterleib. Er gibt uns Sicherheit, er gibt uns Halt. Doch irgendwann kommt die Zeit, indem wir mehr oder weniger schnell diesen Ort, welcher uns vertraut war, verlassen. 

Ausserhalb des Uterus, sind wir angewiesen auf schützende Umarmungen, Körperkontakt, kleine Bettchen und Wiegen, welche uns Behaglichkeit und Sicherheit vermitteln sollen. 

Kurzerhand vergrössert sich unser Radius, indem wir beginnen – sobald wir körperlich in der Lage sind, uns krabbelnd, bald schon aufrecht uns aus unserem gewohnten Umfeld zu entfernen. 

Wir überschreiten Grenzen und kommen an unsere Grenzen. Zum Teil naturgegeben zum Teil von aussen herbeigeführt. 

Im besten Fall, erfahren wir in der Kindheit, dass unsere Grenze gewahrt wird. Im schlechtesten, dass diese immer wieder übertreten wird. 

Dies geschieht meist unwissentlich und in guter Absicht, weil uns gesagt wird, dass wir Kindern Grenzen setzen sollen. Doch betrachten wir diese Grenzsetzung im Verständnis der herkömmlichen Erziehungsmechanismen, sind wir es, die uns oft grenzüberscheitend gegenüber unseren Kindern verhalten.

Was Bestrafung, Konsequenzen und strikte Regeln für Botschaften senden:

«Ich bin es nicht wert, in meinen emotionalen Bedürfnissen gesehen und gehört zu werden»

«Meine Gefühle sind nicht wichtig»

«Ich bin nicht okay, so wie ich bin»

«Meine Grenze wird missachtet, ich soll jedoch im Gegenzug eure Grenze wahren»

Kinder benötigen jedoch die Erfahrung, dass ihre eigenen persönlichen Grenzen geachtet werden und für andere bedeutsam sind. Somit senden wir die wichtige Botschaft: 

«Ich sehe dich in deinem Gefühl und nehme dich ernst»

«Du bist wichtig und wertvoll»

Kinder lernen Grenzen kennen, indem wir ihre wahren! Und sie lernen, dass sie eigene Grenzen haben. Damit sie im Erwachsenenleben in der Lage sind, „Nein“ sagen zu können und somit „Ja“ zu sich selbst!

Bitte vertraue darauf und lass dich nicht verunsichern, wenn du diesen antiquierten Erziehungsratschlägen begegnest:

Kinder müssen sich an Regeln halten

Kinder müssen Grenzen gesetzt werden

Auf nicht Einhalten von Regeln und Übertreten von Grenzen müssen Konsequenzen folgen

Bist du unsicher und hast Fragen dazu, kannst du mich gerne per Mail mit deiner konkreten Frage oder Situation kontaktieren. lisa.werthmueller@bluewin.ch

Wenn Elterliche Wut ausser kontrolle gerät – Prävention durch Elterncoaching

Eltern und Fachleute fragen sich, wie es dazu kommen kann, dass selbst geschlagene Eltern, ihren Kindern gegenüber die Fassung verlieren, laut werden und Dinge tun, die sie später bereuen und sich dies, worunter sie so litten, erneut wiederholt.

Eltern spüren, dass ihr Verhalten nicht angemessen war und wenn sie könnten, würden sie es verändern! Der Umgang mit starken eigenen Gefühlen, wie jener ihrer Kinder, ist eine Herausforderung, die jedoch erlernbar ist.

Die Fähigkeit sich selbst zu regulieren ist ein Lernprozess welcher in der Kindheit beginnt. Wenn Eltern in ihrer eigenen Kindheit mit starken Gefühlen allein gelassen wurden oder Gefühle überhaupt keinen oder nur wenig Raum haben durften, kann es sein, dass dieser Stress im Körper gespeichert wurde oder der Zugang zu den eigenen Gefühlen nahezu abgespalten wurde. 

So können Kinder mit ihren starken Emotionen, welche übrigens entwicklungsgerecht sind, in ihnen eine vermeintliche Grenzüberschreitung auslösen oder einen alten Schmerz aus ihrer Kindheit berühren oder anstoßen, welcher nichts mit der Situation im Außen zu tun hat. Ziel ist es also, dass sie in der Lage sind, bei dieser Konfrontation nicht in die Spirale schnell ablaufender Prozesse zu geraten. Denn in diesem Stress können sie nicht mehr auf ihre Kognition zurückgreifen. 

Es geht darum, zwischen Reiz und Reaktion einen Handlungsspielraum zu erhalten, indem sie eigene Körpersignale frühzeitig wahrnehmen und einordnen, Denkprozesse überprüfen, welche möglicherweise nicht realistisch sind. Durch den Akt des Bewusstmachens, verlangsamen sie den Prozess und andere Handlungsalternativen werden möglich. Dazu gehört auch die innere Arbeit mit sich selbst und sie dürfen sich folgende Fragen stellen: 

Wo komme ich her? Was für Erfahrungen mit Gefühlen in meiner Kindheit habe ich gemacht? Welche Strategien habe ich mir in meiner Kindheit angelegt. Wie steht es mit meinem Verhältnis zu Wut? Weshalb fühle ich mich angegriffen, nicht gesehen oder nicht ernstgenommen? Welcher alte Schmerz aus meiner Kindheit ist noch nicht versöhnt. Sie lernen eigene Bindungs- und Beziehungsmuster kennen.Sie lernen ihre Gefühle wieder neu kennen und sie in ihren Körper zu integrieren. 

Denn dies ist eine Voraussetzung, damit sie selber in der Lage sind, ihre Kinder Co-zu regulieren und sie in ihren starken Emotionen gut begleiten können.

Eltern müssen nicht Verantwortung für den ihnen zugefügten Schmerz in ihrer Kindheit übernehmen, den haben andere ihnen zugefügt. Sie können jedoch im Heute Verantwortung für ihre Pflege der Wunden und Narben die zurückgeblieben sind übernehmen und sich begleiten lassen im Nachnähren ihren eigenen emotionalen Defiziten. 

Wenn wir „Verhaltensauffälligkeiten“ lernen zu „Lesen“ (Teil3)


Wenn sich Eltern entscheiden, ihr Kind nicht zu einem Psychologen, Psychiater oder einer anderen Stelle für Abklärungen zu schicken, schaffen wir erst einmal durch Orientierung und Einordnung, einen Überblick um Ruhe in das System zu bringen, welches durch die defizitären Beurteilungen grosse Verunsicherung für Eltern bedeutet. 

Und wir richten den Fokus auf die Umgebung, indem sich das Kind befindet, um diese zu beleuchten, um Antworten zu finden was das Kind braucht – anstelle des Kindes isoliert mit seinen Symptomen zu «behandeln» mit dem Ziel, dass die Symptome verschwinden. 

Wenn wir entwicklungspsychologische Erkenntnisse beachten, wissen wir, dass Kinder noch nicht in der Lage sind, sich emotionale Grundbedürfnisse selbst zu erfüllen. Sie sind lediglich in der Lage mit dem Verhalten auf den Mangel hinzuweisen. Dazu brauchen sie eine erwachsene Person, welche das Verhalten «übersetzen» kann und selbst über gute Strategien verfügt, sich eigene emotionale Grundbedürfnisse zu erfüllen. 

In der folgenden Arbeit mit Eltern, wenden wir uns den Zusammenhängen zu, um zu erkennen – dann um zu verstehen, damit wir Hinweise erhalten was das Kind braucht, um die Symptome nicht mehr zeigen zu müssen. Es entsteht Entlastung und Entspannung, in der sich eine neue Haltung und eine neue Sichtweise auf das Kind und seine Umgebung einstellt – und wir finden Antworten!